Sonntag, 5. Februar 2012

Der vergängliche Glanz von 1998

1998 war lange Zeit ein Leuchtturm und eine Inspiration der Leugnerszene. Ein starker El Nino hatte dieses Jahr global zu einem sehr warmen Jahr gemacht, so daß es bis 2005 dauerte, um den Temperaturrekord zu brechen. Und das nur in einem Teil der bodengebundenen Beobachtungsreihen. In der britischen Zeitreihe HadCRUT3 konnte selbst 2010 der Temperaturrekord von 1998 nicht gebrochen werden. Doch alles ist vergänglich. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die globale Erwärmung aus dem Höhepunkt im Jahr 1998 einen Rekord der Vergangenheit macht. Und das kann sogar sehr schnell der Fall sein, denn am Hadley Centre steht eine Neuerung an...
Es war ein Paradoxon. Einerseits wurden Professor Jones und seine Arbeitsgruppe am britischen Hadley Centre von der Leugnerszene besonders heftig attakiert, besonders am Diebstahl von Emails von einem Server der East Anglia University und der folgenden Flut von Diffamierungen und Unterstellungen zu sehen. Andererseits machten Leugenr deren Temperaturzeitreihe zum Goldstandard bodengebundener Temperaturzeitreihen, denn in der Zeitreihe der Briten war 1998 ein besonders hohes Maximum und die nachfolgenden Jahren zeigten eine geringfügig schwächere Erwärmung als andere Zeitreihen, etwa die des NASA Goddard Institute for Space Studies GISS oder des National Climate Data Center NCDC der amerikanischen Behörde NOAA. Letztere beiden Zeitreihen zeigten schon 2005 und wieder 2010 eine höhere globale Temperaturanomalie als HadCRUT3.

Für die Frage, ob es global wärmer wird, ist das unerheblich, denn der Erwärmungstrend ergibt sich aus der Gesamtheit der Daten. Ob ein einzelnes Jahr mit einer zufällig höchsten Temperatur der Zeitreihe zu Beginn, in der Mitte oder am Ende der Zeitreihe steht, beeinflußt in der Regel die Frage, ob die Zeitreihe einen ansteigenden Trend hat, nicht, wenn die übrigen Daten einem Erwärmungstrend folgen. Und da jedes einzelne Jahr aufgrund verschiedener regionaler Einflüsse und einzelner Ereignisse (wie einem Vulkanausbruch) um den anhaltenden Erwärmungstrend schwankt, gibt es einen Unsicherheitsbereich bezüglich des klimatologischen Trends, innerhalb dessen die Ergebnisse von NCDC, GISS und HadCRUT3 austauschbar sind. Ein Mittel aller drei Zeitreihen zeigt demnach ebenfalls, daß 2010 eine höhere Anomalie als 1998 erreicht wurde (aber nicht signifikant höher).

Daß HadCRUT3 gegenüber GISS und NCDC ein anderes aktuelles Maximum zeigt, ist nicht ganz grundlos. HadCRUT3 hat in der Arktis eine geringere Abdeckung mit Beobachtungsstationen. Gerade die Arktis erwärmt sich aber schneller als der Rest der Erde. Datenlücken hier führen also dazu, daß die jüngste Erwärmung der Erde unterschätzt wird. GISS und NCDC gleichen durch ihr Interpolationsverfahren die Lücken in der Arktis aus. HadCRUT3 enthält zudem einen anderen Bereich, in dem es bekannte Probleme gibt. In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ist die Zeitreihe der Meeresoberflächentemperaturen von systematischen Meßfehlern beeinflußt. Vorübergehend erhöhte sich nach dem zweiten Weltkrieg die Zahl britischer Schiffe gegenüber amerikanischen, auf denen die Meerestemperaturen dadurch gemessen wurden, daß Behälter aus dem Meer an Bord geholt wurden. Durch Verdunstung sank dabei die Temperatur im Behälter geringfügig. Die Meerestemperaturen erhielten dadurch eine systematische Unterschätzung in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg. Dieser Fehler sollte durch eine neue Zeitreihe HADSST3 für die Meerwassertemperaturen korrigiert werden, der zugleich auch zu Anpassungen der kombinierten Zeitreihe für Meer und Land HadCRUT4 führt. Eine Übersicht laufender Projekte beim Hadley Centre erläutert die Hintergründe. Die neue Zeitreihe HadCRUT4 wird öffentlich zugänglich sein und HadCRUT3 ersetzen, sobald die neuen Daten im Journal of Geophysical Research publiziert sind (leider derzeit keine öffentlich zugängliche Artikelversion erhältlich).

Einen neugierigen Blick auf die neue Zeitreihe im Vergleich zur alten erlaubt der Blog James' Empty Blog, der auf einen wichtigen, für die Leugnerszene ärgerlichen Sachverhalt verweist: nach den Korrekturen zeigt HadCRUT4 das gleiche wie GISS und NCDC: 1998 ist nicht mehr das Jahr mit der höchsten Temperaturanomalie. Die Unterschiede sind im Rahmen der angezeigten Unsicherheitsbereiche und daher sehr gering, aber der psychologische Effekt dürfte einiges ausmachen. Am berechneten globalen Erwärmunsgtrend ändert sich dadurch nichts - es wird ungefähr 0,016 Grad pro Jahr wärmer. Entsprechend den Erwartungen aufgrund der Modellrechnungen.

2 Kommentare:

facepalm hat gesagt…

Leider werden sich die Leugner von einer Änderung nicht wirklich beeindruckt zeigen, im Gegenteil, sie werden einfach lauthals "Manipulation" grölen!
Sie brauchen dafür auch keinerlei echtes Argument das für oder gegen die Korrektur spricht: Sie werden nur ein Bild des Graphen vor und nach der Korrektur zeigen, und einen neuen Leugner-Mythos "Wie das Hadley-Center den 1998-Rekord nach unten gefälscht hat", starten und den alten Leugner-Mythos "die Temperatur fällt seit 1998" einfach behalten.

Spricht das gegen die Korrektur? Selbstverständlich nein.
Es ist nur etwas naiv, von den Leugnern eine rationale wissenschaftlichtliche Reaktion zu erwarten - u.a. deshalb werden sie ja auch Leugner genannt.
Und auf notwendige Korrekturen an jedweder Temperatureihe werden sie immer mit Propaganda reagieren:

Keine Änderung:
"Wissenschaft korregiert Daten nicht, obwohl sie die Wahrheit kennen!"
Änderung nach oben:
"Wissenschaft manipuliert die Temperaturreihen nach oben!"
Änderung nach unten:
"Wissenschaft beginnt sich endlich der Wahrheit zu beugen! Wir hatten schon immer recht!"

Insofern fürchte ich, dass der psychologische Effekt erstmal kräftig nach hinten losgehen wird - die Leugner haben eine einfache, griffige und falsche Behauptung, die Wissenschaft muss aufwendig erklären.

J. Zimmermann hat gesagt…

Die Einschätzung, daß die Leugnerszene die Korrekturen wieder in ihrem Sinne drehen werden, teile ich. Genau dadurch unterscheiden sich Leugner von Skeptikern.