Donnerstag, 17. März 2011

Schon wieder ein inszenierter Skandal

Dem Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt wurde die Behauptung zugeschoben, Klimaforscher hätten sich als Betrüger erwiesen. Diese Behauptung war nicht nur sachlich falsch, das Büro des Kanzlers a.D. dementiert auch, daß diese Bemerkung gemacht wurde. Auf google aber findet man mit dem Suchstring "Helmut Schmidt IPCC Betrüger" gut 136.000 Einträge. Schon wieder ein inszenierter Skandal? Im folgenden gehe ich der Sache nach.

Die Leugnerszene hat keine Sachargumente, aber sie bemüht sich, Zweifel zu sähen, indem mit Scheinargumenten eine wissenschaftliche Debatte inszeniert wird. Und weil die Auseinandersetzung in Wahrheit gar nicht auf der Sachebene stattfindet, sollte es auch nicht verwundern, daß auch nötigenfalls Skandale inszeniert werden. Gerne werden Klimaforscher als Betrüger hingestellt, ganz egal, wie absurd die Begründung dafür ist. „Climategate“ war wohl der größte und effektivste der inszenierten Skandale, der Diebstahl von Emails gefolgt mit einer Umdeutung herausgegriffener Inhalte der Emails, um den Anschein zu geben, Wissenschaftler würden Daten fälschen und widersprechende Ansichten aus der Fachliteratur heraushalten. Mehrere Untersuchungen zeigten, daß dies falsch war und die wissenschaftlichen Publikationen seither zeigen, daß alle wesentlichen Feststellungen der Klimaforschung vor „Climategate“ weiterhin gültig sind. Die Leugner haben nie zugegeben, daß der Skandal eine Inszenierung war und daß die nachfolgenden Untersuchungen die Vorwürfe widerlegt haben. Korrekturen und Entschuldigungen werden wir von der Seite auch nie zu hören bekommen. Stattdessen wird derzeit in den USA versucht, durch staatsanwaltliche Untersuchungen und Abstimmungen in politischen Vertretungen die Inszenierung fortzuführen.

Als ein Text auf der Webseite des MPI erschien, laut dem Helmut Schmidt behauptet haben sollte, Klimaforscher hätten sich als Betrüger erwiesen, war dies in den Blogs der Leugner mit großem „Hallo“ begrüßt worden. In einem Blogbeitrag hatte ich erläutert, warum diese Äußerung, wenn sie so gemacht worden wäre, unakzeptabel ist und juristisch in Deutschland sogar bedenklich ist. In den Leugnerblogs, etwa auf den Seiten von EIKE oder auch bei der sogenannten Achse des Guten, hier geschrieben von Herrn Peiser, in den USA bei Wattsupwiththat ist das angebliche Schmidt-Zitat eifrig verbreitet worden und von dort aus hat es das Internet regelrecht verseucht. Wer bei google „Helmut Schmidt Betrüger IPCC“ eingibt, sieht, was ich meine. Die eifrige gegenseitige Verlinkung in Leugnerkreisen sorgt dafür, daß gut drei oder vier Seiten nur dieselben Texte gefunden werden, bevor erstmals eine andere Meinung auftaucht – mein eigener Blog.

Die Geschichte des inszenierten Skandals habe ich über verschiedene Webseiten nachverfolgt. Am 11. Januar war die Helmut Schmidt-Rede. Im Februar wurde der falsche Text der Rede beim MPI publiziert. Am 6. März verbreitet Benny Peiser erstmals auf der Seite der Global Warming Policy Foundation, einer Lobbyorganisation zur Verbreitung von Lügen über den Klimawandel zum Nutzen der diversen Geldgeber, thegwpf.org die angebliche Behauptung von Schmidt auf Englisch. Der Geologe und als Leugner bekannte Bob Carter greift am 7. März in der Online-Fassung des australischen Magazins Quadrant, das bekannt dafür ist, Lügen über den Klimawandel zu verbreiten, den Text von Benny Peiser auf und legt noch einen drauf. Er meint, daß die angebliche Behauptung von Schmidt, Klimaforscher hätten sich als Betrüger erwiesen, richtig sei, läßt aber zwischen den Zeilen den Eindruck aufkommen, daß aber sein Aufruf, Wissenschaftsorganisationen in Deutschland sollten dies untersuchen, das Problem unterschätze – die steckten doch auch im Betrug mit drin. („An equal problem in nearly all western countries (…) is the integrity of their national science academies (…)” – Ein gleiches Problem ist in nahezu allen westlichen Staaten … die Integrität ihrer nationalen Wissenschaftsakademien…) Beweis sei, daß die Untersuchungen zu „Climategate“ ergaben, daß an den Anschuldigungen der Leugner nichts dran sei. Dies ist im übrigen erneut der Beweis, daß Leugner mit keiner Untersuchung je zufriedenzustellen sind, denn sie akzeptieren nur ein Ergebnis – ihre falsche Meinung. Der Beitrag von Bob Carter taucht am selben Tag bei Wattsupwiththat auf und dann geht es hierüber und über Benny Peiser und EIKE in die übrigen Leugnerblogs.

Das reicht dann immer noch nicht. In der ZEIT stand der Text von Helmut Schmidt, der tatsächlich gehaltenen Rede – ohne die Unterstellung, daß sich Klimaforscher als Betrüger erwiesen hätten. Daraufhin verbreitet Benny Peiser, daß die ZEIT Helmut Schmidt zensiert hätte. Man hätte natürlich auch mal nachfragen können, warum die ZEIT einen anderen Text abdruckt oder ob Helmut Schmidt denn nun zu dem steht, was da verbreitet wurde. Das haben die hauptamtlichen Lobbyisten natürlich nicht tun wollen und so gleich noch einen Skandal des Skandals inszeniert. Auf der Klimazwiebel verbreitet dann Grundmann den Beitrag und von Storch tut so, als könne man darüber ernsthaft diskutieren. Daß die ZEIT den Betrügervorwurf nicht übernimmt, wird in der Diskussion kommentiert, führt aber nicht zum Innehalten der „ehrlichen Makler“. So sieht die Verwertungskette des Lobbyismus gegen unerwünschte Resultate aus, vom Profischreiber über die Leitblogs in die Leugnerblogosphäre bis zu den Betroffenheitstrollen, die so tun, als würden sie wertneutral diskutieren.

Hingegen hatte ich die Pressesprecherin Dr. von Aretin des MPI auf die sachlich falsche Behauptung und die juristische Problematik hingewiesen und vorgeschlagen, daß das MPI hier die Sachlage klären sollte. Frau Dr. von Aretin nahm Kontakt mit dem Büro des früheren Bundeskanzlers auf, das am 16. März wiederum darauf hinwies, daß der publizierte Text beim MPI nicht mit der gehaltenen Rede übereinstimmt. Fast zeitgleich ist übrigens Nick Reimer von www.klimaretter.info unabhängig von mir zu den gleichen Ergebnissen gekommen, hat aber seinen Beitrag schon heute morgen schreiben können. Wie die Büroleiterin Frau Krüger-Penski mir mitteilte, soll der Text beim MPI korrigiert werden. Das wird aber nicht reichen.

Für die Leugner war es auf jeden Fall ein großer Propagandaerfolg. Die Korrektur, daß Helmut Schmidt den unterstellten Text nicht gesagt hat, werden wir von der Seite nie hören, vielmehr wird es als Schmidtzitat nun dauerhaft benutzt werden. Die Leugnerseite hat nun einen weiteren präsentablen Zeugen für ihre Verschwörungstheorie der Wissenschaftler als Betrüger und die google-Suche zeigt eindeutig, daß das nicht rückgängig gemacht werden kann. Denn im Internet wird das angebliche Schmidt-Zitat, daß sich Klimaforscher als Betrüger erwiesen hätten, als scheinbar weiter gültig halten. Einzig Hoffnung gibt, daß die Korrektur auf der Seite klimaretter.info auf Anhieb an erster Stelle bei google steht - übersehen kann man das nicht.

Aktualisierung: Beim MPI steht mittlerweile die korrigierte Fassung der Schmidtrede mit dem Hinweis: "Es gilt das gesprochene Wort.", aber leider keinem Hinweis auf die Vorgeschichte.

Aktualisierung (21.03.2011): Eine weitere Mitarbeiterin im Büro des Bundeskanzlers a.D. bestätigte in einer Email, dass es sich bei der von der Max-Planck-Gesellschaft zuerst veröffentlichten Fassung um einen Rohentwurf handelte, der geändert wurde und nicht autorisiert war. Wer den Rohentwurf für Herrn Schmidt geschrieben hatte, war leider nicht zu erfahren.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Boah, ich glaubs ja nicht: Frei erfunden?!
Intressant wäre dann, wie diese gefälschte Version der Rede dann auf die Wesite des MPI gekommen ist, und von wem diese Fälschung vorgenommen wurde.
Falls sich der Fälschungsverdacht bestätigt (es gibt ja anscheinend Aufzeichnungen, es stellt sich nur die Frage warum das MPI so herum laviert), habe ich wenig Bedenken zu einer Weiterverbreitung im Netz - jeder PseudoSkeptiker, der diese Karte dann ziehen wollte, wäre mit einem einzigen Link entlarvt.
Gut kann man das an dem efundenen Zitat "Unless we announce disasters, no one will listen" angeblich von Sir John Houghton, sehen, dass zwar immer noch verbreitet im Netz zu finden ist, aber praktisch nicht mehr in aktuellen Debatten benutzt wird.

J. Zimmermann hat gesagt…

Ich bin immer noch im Kontakt mit dem MPI und mit dem Büro des ehemaligen Kanzlers, um die Geschichte aufzuklären und werde ergänzen, was ich noch herausfinde.

Anonym hat gesagt…

aus dem Artikel bei Klimaretter.de:
"...Die Recherche hat ergeben, dass die Max-Planck-Gesellschaft einen Text von Herrn Schmidt ins Netz gestellt hat, den Herr Schmidt so nicht vorgetragen hat", lautete die Antwort. "Die Aufzeichnung der Rede und der Redetext vom 11. Januar 2011 zeigen, dass Herr Schmidt das Wort ´Betrüger´ für den Weltklimarat an keiner Stelle verwendet hat. ..."

Also ist eine Aufzeichnung vorhanden, die sich dann doch durch einfaches Anhören verifizieren lassen sollte.

J. Zimmermann hat gesagt…

facepalm, ich wurde heute noch einmal auf Nachfrage dazu informiert, daß "der nicht autorisierte Entwurf der Rede tatsächlich versehentlich ins Netz gestellt wurde." Mehr ist nicht in Erfahrung zu bringen. Die Aussage ist definitiv, daß das Wort "Betrüger" bei der Rede nicht gefallen ist. Die ausdrückliche Frage, wieso das Wort überhaupt erst einmal in einem Entwurf der Rede stand, wurde mir nicht beantwortet.

Anonym hat gesagt…

Das ist ja schon mal die gute Nachricht, und ich muss Schmidt Abbitte leisten.

Es würde eine Richtigstellung auf der Website der MPG guttun, auf die man verweisen könnte, auch wenn das die Verschwörungstheoretiker aka Pseudoskeptiker nicht hindern wird, jetzt zusätzlich über Zensur zu faseln.

Klasse ist dabei immer die "Logik" dass es ja ein Beweis für eine Weltumspannende Verschwörung sei, wenn man keine Beweise dafür findet - denn das ist ja der Beweis, dass alle Beweise manipuliert wurden, und darum alle mit drin stecken.
*facepalm*

(Noch Fragen, woher mein Nick kommt? ;-))

Kim Dabelstein Petersen hat gesagt…

Gibt es eine möglichkeit die aufzeichnung der rede zuveröffentlichen?