Sonntag, 22. Juni 2008

Verstärken Änderungen beim arktischen Seeeis den Klimawandel?

Leider ist dieser Beitrag 2 Wochen liegen geblieben, aber dafür konnte ich noch einige Ergänzungen machen.

2007 erreichte die Seeeisbedeckung im arktischen Meer einen für Fachleute überraschendes Rekordminimum. (Siehe z.B. hier.) Im folgenden Winter froren zwar erwartungsgemäß weite Teil des arktischen Meeres wieder zu, aber es wäre absurd, daraus abzuleiten, daß die Rekordschmelze damit nur ein vorübergehendes Ereignis gewesen wäre. Das verhältnismäßig dünne, nur einjährige Eis, das sich gebildet hatte, wird in diesem Sommer wesentlich leichter schmelzen als das mehrjährige dickere Eis, das dort vorher war. Nur eine Reihe besonders kalter arktischer Winter in Folge könnte den ursprünglichen Zustand des nordpolaren Eises wieder herstellen. Zu den Erwartungen für 2008 siehe z.B. hier, bzw. (da zitiert) hier. Das Bild zeigt den langfristigen Trend der Eisbedeckung in der Arktis:











Den aktuellen Trend kann man hier nachsehen, Quelle ist das National Snow and Ice Data Center. Das Bild hier wiederum zeigt den hohen Anteil besonders dünnen, nur einjährigen Eises.

Eine Untersuchung der Eisschmelze von 2007 ergab, daß sie zwar auf besondere Witterungsverhältnisse zurückzuführen war. Eine Hochdruckzone ab Juni 2007 über gut 3 Monate hinweg mit wolkenarmen Bedingungen sorgte für eine besonders intensive Eisschmelze. Solche Verhältnisse bestanden aber auch schon 1977 und 1987. 2007 hatte aber die anhaltende globale Erwärmung das polare Eis so ausgedünnt, daß nun im Gegensatz zu früher weite Bereiche der arktischen Gewässer eisfrei wurden. Eine Übersicht dazu hat John Cook zusammengetragen.

Mit einer Wiederherstellung langjähriger Eisschichten ist nicht zu rechnen. Das liegt nicht nur daran, daß der Trend einer globalen Erwärmung in den Temperaturdaten intakt ist und vielleicht schon der nächste El Nino globale Temperaturen herbeiführen kann, die die maximalen Temperaturmittel in 1998 und 2005 erreichen oder übersteigen könnten. Das liegt auch daran, daß die globale Erwärmung sich selbst verstärken kann. Und nirgendwo sieht man es besser als im arktischen Raum.

Die bekannteste Rückkopplung ist der Albedoeffekt. Schnee und Eis reflektieren sichtbares Licht besonders gut, sogar besser als Wasser (wo nur bei ruhigem Wasser bei einem bestimmten Eintrittswinkel Totalreflektion des Lichtes erfolgt). Ein Abschmelzen des Eises in der Arktis bedeutet daher, daß diese Region sich stärker aufheizen kann. Dieser Effekt wird noch verstärkt dadurch, daß offenes Wasser in der Arktis einen weiteren Effekt hat. Das Wasser unter einer Eisdecke ist erheblich wärmer als das benachbarte Land, das auf Temperaturen unter -10, -20, sogar -40 Grad Celsius auskühlen kann – im Tagesmittel. Fällt die isolierende Eisdecke weg, kann die Wärme aus dem Wasser in die benachbarte Luft und weiter auf das benachbarte Land transportiert werden. Das kann vor allem über den Transport latenter Wärme geschehen. Das relativ wärmere Wasser (nahe dem Gefrierpunkt) verdunstet und entzieht dabei dem Meer etwas Wärme. Diese Feuchte kondensiert wieder an Land und erwärmt dort den Boden. Die Schneedecke an Land taut schneller auf oder wird später gebildet. Das Land heizt sich über den oben erläuterten Albedoeffekt weiter auf. Am Ende kann das dazu führen, das Bodenschichten auftauen, in denen bisher Permafrost herrschte, wo also selbst im Sommer die Erde gefroren blieb.

Das hat aber einen weiteren Rückkopplungseffekt zur Folge. Im Permafrostboden sind organische Stoffe gebunden. Taut der Boden auf, werden diese zersetzt. Dabei werden gasförmige Abbauprodukte gebildet, wie CO2 und vor allem Methan. Methan aber ist ein Gas, das einen stärkeren Treibhauseffekt hat als CO2. Kurzfristig ist der Effekt einen Faktor 75 stärker. Berücksichtigt man den Abbau von Methan über 100 Jahre, ist es immer noch 25mal wirksamer als CO2. Die globale Erwärmung fördert also so den zusätzlichen Eintrag von Treibhausgasen.

Diesen Zusammenhang erläutert Tamino sehr ausführlich. Dabei bezieht er sich unter anderem auf einen Artikel von Lawrence et al. in den Geophysical Research Letters (im Link ist eine Inhaltsangabe dazu): Accelerated Arctic land warming and permafrost degradation during rapid sea ice loss. Der Verlust des Seeeises in der Arktis könnte die Erwärmung dort dreimal so schnell ablaufen lassen. Dabei könnten 1 - 4 Gigatonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre pro Jahr abgegeben werden. Das ist bis zu der Hälfte des von Menschen jährlich erzeugten CO2.

Daß dieses geschehen wird, war eigentlich nie bezweifelt worden. Was wirklich erschreckend ist, ist die Schnelligkeit, mit der das Seeeis verschwindet, die Arktis wärmer wird und schließlich das Auftauen des Permafrostbodens zu erwarten ist. Vor wenigen Jahren ging man von einem jahreszeitlich eisfreien Polarmeer erst nach 2030 aus. Nun müssen wir dies aber schon in den nächsten Jahren erwarten. Entsprechend werden auch die Rückkopplungseffekte, der Albedoeffekt und das Auftauen des Permafrostbodens vorverlegt. Das macht Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen noch weitaus dringlicher als man bisher geglaubt hatte. Zu diesen Zusammenhängen gibt es weitere Ausführungen hier und in den dort verlinkten Artikeln.

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