Sonntag, 11. Mai 2008

Der Artikel, die Medien, die Wette und das Ergebnis.

In dem Beitrag „Sagen Modelle voraus, daß die globale Erwärmung stoppt?“ hatte ich auf Keenlyside, N. S., M. Latif, J. Jungclaus, L. Kornblueh, and E. Roeckner, 2008: Advancing Decadal-Scale Climate Prediction in the North Atlantic Sector. Nature, 453, 84-88. hingewiesen, die mit einem Klimawettermodell, bei dem 50 Jahre der Meeresoberflächentemperaturen aufgeprägt wurden, eine Vorhersage der Klimavariationen der nächsten Jahrzehnte versuchen. Dabei steckt in ihrem Modell eine Abkühlung durch eine Schwingung in den Meeresströmungen, bei der Wärme aus den oberen Meeresschichten in die Tiefsee transportiert wird.

Der Artikel ist zunächst mal ein Beispiel dafür, wie man eine schwache Arbeit vorlegt. Es werden nämlich relativ weitgehende Schlüsse aus recht schwachen Daten gezogen. Aus dem zentralen Diagramm der Arbeit sieht man, daß gerade zum Ende des Vorhersagesagezeitraums hin das Modell von den Messungen weit abweicht. Man kann schon daraus schließen, daß das Modell wohl die nächsten Jahre nicht unbedingt so gut erklären wird, wie es sich die Autoren erhoffen. Trotzdem machen sie in den Schlußfolgerungen weitgehende Aussagen darüber, daß sie mit ihrem Assimilationsverfahren für die Meerestemperaturen vorhersagen könnten, daß in den 10 Jahren bis 2015 die mittleren globalen Temperaturen etwa gleich hoch lägen wie in den 10 Jahren bis 2010. Das ist im übrigen eine Aussage, die sehr viel Überlegungen beim Nachvollziehen braucht. Im Grunde handelt die Arbeit von einer Abfolge von 10-Jahresmitteln, nicht etwa von einer Abfolge der mittleren Temperaturen einzelner Jahre. Deshalb wird auch bei den Temperaturen vom Hadley Centre mit einem gleitenden 10-Jahresmittel verglichen. Und deshalb reichen dann die Messungen zur Validierung nur bis 1998, denn für eine Arbeit, die Messungen bis 2003 als Grundlage hat, ist 1998 das letzte Jahr, für das ein 10-Jahresmittel vorliegt. Wann und für wie lange nun die globale Erwärmung pausiert, kann man daraus nicht wirklich in nachvollziehbarer Weise ableiten. Und bei der starken Abweichung des Modells von den gemessenen Daten ist auch schon jetzt klar, daß die Chancen nicht gut stehen, daß tatsächlich eintritt, was es vorhersagt.

Obwohl in dieser Arbeit viele Größen viel Erklärungen brauchen, um richtig verstanden zu werden, hat das Institut nun aber leider auch noch eine sehr plakative Erklärung an die Presse herausgegeben, in der man nicht im geringsten Fehlinterpretationen vorbeugte. Und dann ist auch genau das geschehen. In vielen Medien kam die falsche Aussage heraus, daß Klimaforscher festgestellt hätten, daß die globale Erwärmung „weitere 10 Jahre“ eine Pause einlegen würde. (Hier zum Beispiel ein Artikel aus der Welt.) Es geht aber nicht um weitere 10 individuelle Jahre, sondern um ein 10-Jahresmittel im Vergleich zu einem vorherigen 10-Jahresmittel, und dieses 10-Jahresmittel beginnt nicht etwa jetzt, sondern hat schon 2005 begonnen. Selbstverständlich kann am Ende des 10-Jahresmittels die Temperatur höher liegen als am Anfang. Es kann also sogar die Aussage der Arbeit korrekt sein und trotzdem würden wir in den laufenden Jahren eine weitere Erwärmung des Klimas beobachten. Leider ist dies von keinem der befaßten Journalisten verstanden worden, so daß ziemlich unsinnige Meldungen in den Medien kursierten.

Wenn nun aus einer schwachen Arbeit eine irreführende Pressemitteilung entsteht, aus der die Presse dann klar falsche Aussagen für Zeitungen und Zeitschriften ableiten, ist die Verwertungskette hin zum völligen Unfug noch nicht zu Ende. Es gibt eine Szene der Leugner des menschengemachten Klimawandels, die eifrig nach jeder Bestätigung sucht, daß zum einen Klimawandel nicht statt fände und zum anderen das IPCC mit seinen Bericht nicht den wissenschaftlichen Stand wiedergäbe bzw. die Wissenschaftler sich in den wichtigsten Grundaussagen uneinig seien. Da wurden dann schnell aus den beiden sich überlappenden 10-Jahresmitteln, die sich in der Temperatur nicht änderten, 20 Jahre ohne Klimawandel. Und weil das Modell in seinen Vorhersagen schon seit den 90er Jahren konsequent unterhalb der Messungen liegt, wurden dann gelegentlich noch die Messungen bis 2003 mit den Modellvorhersagen danach vermengt und daraus konstruiert, daß das Modell 20 Jahre Abkühlung seit 1998 vorhersagen.

All diese Probleme werden natürlich auch von den Klimaforschern, den Kollegen von Keenlyside und seinen Mitarbeitern, verstanden, und einige von ihnen wollten mal klar machen, wie weit ab von aller Wahrscheinlichkeit sie diese Arbeit und die Fehlinterpretationen daraus sahen. Daher wurde eine Wette angeboten (siehe hier), mit der Gewissheit, daß man diese Wette nicht verlieren könne.

So richtig der Hintergedanke zur Wette ist, so problematisch sind die Folgerungen, die andere daraus ziehen, siehe etwa hier. Zum einen entsteht jetzt erst recht der Eindruck, man sei sich unter Klimaforschern uneinig über die Grundaussagen, die in den IPCC-Berichten stehen. Das ist ein falscher Eindruck. Die Temperaturentwicklung in einem Klimawettermodell ist im Einklang mit dem gemittelten Trend, der von den IPCC-Modellen projiziert wird, unabhängig von den Schwankungen um diesen Trend. Die IPCC-Modelle machen nur keine Aussagen außerhalb des langjährigen Trends bis 2100 – das wird mit Absicht nicht von ihnen aufgelöst (obgleich bei den individuellen Modellrechnungen natürlich auch Schwankungen um den Trend entstehen - die aber bedeutungslos sind, weil sie nur im statistischen Sinne die Realität wiedergeben, aber nicht im Einzelfall). Das Modell von Keenlyside et al. wiederum macht keine alternativen Aussagen zu diesem Trend und läuft deshalb am Ende auch wieder genau auf das IPCC-Szenario, das es verwendet. Es ergänzt die Trendaussage nur mit einer zum Verlauf der aufliegenden Schwankungen. Und das, wie gezeigt, mit erheblichem Fehler. Zum anderen erweckt die Wette den Eindruck, daß der Temperaturverlauf von wenigen Jahren doch bedeutsam sein könnte für die Klimaentwicklung. Das ist selbstverständlich nicht der Fall, wie ich hier im Blog immer wieder erläutert habe.

Ich sehe keinen Ausweg aus dem Dilemma. Wenn man sich die ganzen Probleme nicht klar machen will, die aus der Interpretation des Verlaufs von 10-Jahresmitteln der globalen Temperatur resultieren, wird man die Aussagen des Artikels von Keenlyside et al. nicht verstehen. Und man kann auch nicht nach Belieben Messungen und Modellergebnisse so kombinieren, daß ein gewünschter Trend daraus resultiert. Schließlich kann man auch nicht nach Belieben einerseits Modellergebnisse (des IPCC) ablehnen, wenn sie einem nicht gefallen, und dann die Ergebnisse eines einzigen weiteren Modells als fehlerfreie Vorhersagen akzeptieren, nur weil sie einem in den Kram passen.

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